Insterburg: Tivoli-Theater
Insterburg, die mittelgroße ostpreußische Provinzstadt, steht als Beispiel für einen Ort, der ernsthafte Anstrengungen unternahm, ein eigenes stehendes Theater zu etablieren, der nach einem Jahrzehnt einsehen musste, dass sich eine selbstständige Lösung nicht als tragfähig erwies und deshalb gelegentlich, aber regelmäßig und verlässlich von außen versorgt wurde.
Beim Übergang zum 20. Jahrhundert waren in Insterburg Theateraufführungen dadurch möglich geworden, dass man im Verbund mit anderen Städten arbeitete, die dann in einer Saison nacheinander bespielt wurden. Das lässt die folgende Übersicht erkennen:
1885 Tilsit / Insterburg: Vereinigte Stadttheater
1886 Memel / Tilsit – verbunden mit dem Sommertheater Insterburg
1892 Insterburg und Gumbinnen – Vorsaison in Lyck
1905–06 Allenstein, Insterburg, Memel – Eigentümer: Die Stadt Insterburg
1908 Memel (verbunden mit dem Städtischen und Sommertheater Insterburg)
Neuer Theater-Almanach 1892 (S. 320f.)
Memel und Tilsit spürten als erste dieser Orte den Drang zur Selbstständigkeit und emanzipierten sich 1904. Allenstein folgte einige Jahre später.
Wollte man in Insterburg nicht mit leeren Händen dastehen, musste eine eigene Lösung her.
Das Tivoli-Theater als Sommertheater
Schon 1896 hatte Albert Mathus in Insterburg das Tivoli-Theater gegründet. Über dessen erstes Jahrzehnt ist derzeit nichts bekannt. Von 1908 bis 1912 wurde es als reines Sommertheater betrieben und künstlerisch von Albert Sussa, dann von Franz Tichy geleitet. Es fasste 600–800 Personen und hatte ein Ensemble von 25–30 Personen, einen 8–16-köpfigen Chor und ein Orchester, das aus Mitgliedern der Kapelle des ortsansässigen Infanterie-Regiments 45 gebildet wurde.
Nachdem die Stadt Insterburg ihr Engagement für die oben beschriebenen Verbundlösungen eingestellt hatte, übernahm 1912 zunächst Karl Büchler, zwei Jahre später Albert Büchler das Tivoli-Theater als Eigentümer und führte es bis zu seinem Ende 1922.
Das Theater arbeitete erst einmal unter denselben Rahmenbedingungen weiter wie zuvor, was die Spielzeit, die Programmgestaltung und die Größe von Ensemble, Chor und Orchester betrifft.
Neubau und ganzjähriger Spielbetrieb
1914 wurde ein neues Theatergebäude errichtet und nach der kurzfristigen Besetzung Insterburgs durch russische Truppen am 3. Juli 1915 eröffnet. Das Tivoli-Theater bot jetzt 1000 Besuchern Platz. In der Saison 1915/16 stellte man auf ganzjährigen Spielbetrieb um und hielt diese Erweiterung bis 1920 durch. Man traute sich jetzt auch stärker an Operetten und Spielopern heran und verpflichtete deshalb ein kleines Sängerensemble. Das Orchester wurde nach wie vor von der Kapelle des Inf.-Reg. 45 gestellt.
In der Saison 1919/20 wurde überdeutlich, in welch schwieriges Fahrwasser das Tivoli-Theater geriet: Um den Jahreswechsel wies der Spielplan die ersten größeren Lücken auf, und im Februar und März 1920 kamen jeweils nur noch sechs Aufführungen zustande.
Über die Saison 1920/21 liegen keine Informationen vor. In der letzten Spielzeit 1921/22 unternahm die Stadt Insterburg vermutlich den Versuch, sich wieder stärker zu engagieren: Das Theater nannte sich jetzt jedenfalls Stadttheater und das Orchester Stadtkapelle. Obwohl der Spielplan nicht vorliegt, sieht man an der Liste der prominenten Gäste (u.a. Albert Bassermann, Pascal du Bois Reymond, Paul Wegener – s. Abb. unten), welche Anstrengungen unternommen wurden, um das Insterburger Publikum ins Theater zu locken. Mit Ablauf der Spielzeit 1921/22 stellte das Theater – erschwert durch die Inflation – wegen wirtschaftlicher Erfolglosigkeit den Betrieb endgültig ein; jedenfalls geben die Hauptquellen für die Zeit danach keinen Hinweis mehr auf die Weiterexistenz eines Theaters in Insterburg.
Die Spielpläne des Tivoli-Theaters liegen noch von 1914 (letzmalig reiner Sommerbetrieb) bis 1919/20 vor; sie weisen teilweise größere Lücken auf.
Aus früherer Zeit lässt sich nur für 1891/92 nachweisen, welche Stücke das Vereinigte Theater Insterburg/Gumbinnen auf dem Programm hatte. Was davon in Insterburg aufgeführt wurde, ist nicht bekannt. Daneben ist das Programmangebot des Sommertheaters Insterburg für 1891 dokumentiert (für beide s. Abb. oben unter Novitäten).
Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1922 (Spielzeit 1921/22)
Insterburg als Ort für Gastspiele
Nach 1922 wurde Insterburg von auswärtigen Theatern mit Gastspielen oder, wie man damals gerne sagte, mit Abstechern versorgt. Diese Aufführungen können weitgehend belegt werden. Das geschieht hier in der Form, dass konkret auf die Spielpläne derjenigen Theater verlinkt wird, die Insterburg besuchten. Dabei stellt sich heraus, dass diese Gastspiele schon früh begannen.
Stadttheater Königsberg (die ersten vier Gastspiele noch unter der Bezeichnung Theater der Königl. Haupt- und Residenzstadt Königsberg)
- 1821: April bis Juli
- 1822: August bis September
- 1823: August
- 1836: Mai
- 1851: Juli – 17 Vorstellungen
- 1852: Juni bis September – 37 V.
- 1854: Juli - 18 V.
- 1912/13: Januar bis April – 14 V.
- 1913/14: Dezember bis März – 8 V.
- 1922/23: Dezember bis Februar – 10 V. (Volksbühne)
Die Spielpläne der Gastspiele des Königsberger Stadttheaters in den Jahren 1821-23 und 1851-54 sind über das Menü Theaterzettel/Akademie der Künste/Gastspiele zu erreichen.
Neues Schauspielhaus Königsberg
- 1910/11: 19.4. – 1 V.
Ostdeutsche Wanderbühne Königsberg
- 1914: 19.4. – 1 V.
Landestheater für Ost- und Westpreußen Königsberg
Ostpreußische Bühne Königsberg
- 1927/28: 13 V.
- 1928/29: 14 V.
- 1929/30: s. Stadttheater Tilsit
- 1930/31: 6 V.
- 1931/32: 5 V.
- 1932/33: 5 V.
Tilsit
a) Stadttheater
- 1922/23: 2 V.
- 1924/25: 1 V.
- 1927/28: 1 V.
- 1929/30: 11 V. (in Kooperation mit der Ostpreußischen Bühne)
- 1930/31: 4 V.
- 1931/32: 12 V. (in Kooperation mit dem Landestheater für Ost- und Westpreußen)
b) Grenzlandtheater
- 1933/34: 12 V.
- 1934/35: 14 V.
- 1935/36: 16 V.
- 1936/37: 18 V.
- 1937/38: 16 V.
- 1938/39: 18 V
- 1939/40: 19 V.
- 1940/41: 22 V.
- 1941/42: 26 V.
- 1942/43: 21 V.
- 1943/44: 18 V.
Landestheater Südostpreußen Allenstein