Notiz: Zur ältesten Abbildung des Königsberger Theatergebäudes
Im Besitz des Berliner Theaterwissenschaftlers und Sammlers Rainer Theobald befindet sich unter vielen Tausenden von Büchern, Zeitschiften, Theater-Almanachen und -Journalen, Briefen, Autografen, Theaterzetteln, Librettos, Abbildungen und anderen Dokumenten zur Theatergeschichte des 17.–20. Jhs. das Stammbuch Louis Angelys, des Schauspielers und erfolgreichen Lustspieldichters.
Dr. Rainer Theobald
Auf der Rückseite von Blatt 9 des (unpaginierten) gebundenen, querformatigen Büchleins, also links findet man ein Wieland-Zitat und ein lateinisches Motto („Sibi res non se rebus submittere“, deutsch etwa: „Die Dinge beherrschen, nicht sich ihnen unterwerfen“), signiert von Carlos Bertling „aus Danzig“ und datiert „Königsberg 12. May 1814“.
Auf der Vorderseite von Blatt 10 steht ihm rechts ein einmontierter Kupferstich gegenüber.
Dessen Abmessungen:
- mit Rand: 14,5cm x 9,0 cm
- ohne Rand: 13,5 cm x 8,0 cm
Zentriert eingedruckte Beschriftungen auf dem unteren Rand:
- [unmittelbar unter der Abbildung:] Gedruckt bei Falk & Zänkert Kgsbg.
- [darunter am unteren Rand:] DAS SCHAUSPIELHAUS ZU KOENIGSBERG.
Die Grafik erlaubt Rückschlüsse auf den Zeitpunkt des Drucks und den Zustand des dargestellten Objekts zu diesem Zeitpunkt.
Louis Angely (1787–1835) war in der Spielzeit 1814/15 und darüber hinaus bis in die ersten Monate des Jahres 1816 Schauspieler am Neuen Schauspielhaus Königsberg, das damals die Bezeichnung „Theater der Königl. Haupt- und Residenz-Stadt Königsberg“ führte und in der Spielzeit 1814/15 unter der künstlerischen Leitung August von Kotzebues stand.
Die Stammbuch-Einträge aus Königsberg sind datiert 19.2.1814, 12.5.1814, 1.7.1814, 23.4.1816 (2mal) und 29.4.1824. Grußworte aus Berlin, Hamburg, Reval, St. Petersburg und weiteren Städten überwiegen, so dass unter insgesamt 131 Kurztexten diejenigen aus Königsberg eine kleine Minderheit bilden.
Man darf gewiss davon ausgehen, dass die Abbildung des Königsberger Schauspielhauses zeitnah zu dem erwähnten Beitrag Carlos Bertlings in das Stammbuch gelangte, sei es als Gabe von Bertling, sei es durch Angely selbst, der sie – aus eigenem Besitz – eingefügt haben mag.
Die Abbildung dürfte also spätestens 1814, wahrscheinlich aber früher entstanden sein und wäre damit neben dem Stich von J.J. Wagner (s.u.) die älteste Abbildung des 1808 fertiggestellten und 1809 nach einem Brand wiedereröffneten Schauspielhauses.
Das Schauspielhaus (spätestens 1814) - Sammlung Rainer Theobald
Damit handelt es sich bei der Abbildung von E. Bilz aus dem Jahr 1839 in der Abhandlung „Stadttheater Königsberg – Das Erscheinungsbild im Wandel der Zeit“ im Menü Abhandlungen und Notizen dieses Portals nicht um die Originalversion dieser Grafik, sondern um eine spätere Nachgestaltung.
Lithografie E. Bilz - 1839
In der Tat ist die feinere Zeichnung der Linien auf der Vorlage – selbst in der drastisch reduzierten grafischen Qualität für die Veröffentlichung im Internet – offenkundig. Mehr noch: Details wurden verändert, so das Geäst und das Laub der Bäume, die Beinpartien der drei Soldaten im Vordergrund oder – besonders augenfällig – der Hausschatten im vorderen Mittelteil des Bildes. Auf halbem Weg zwischen dem Tragheimer Mühlengraben (lks.) und der rechten Kuppelnische des Theaters wurde gar noch eine Personengruppe ergänzt.
Ludwig Goldstein mutmaßte 1918 in der Festschrift zur Wiedereröffnung des Königsberger Stadttheaters, dem die Abbildung von E. Bilz entnommen ist:
Wenigstens könnte man sich einbilden, auch auf der kolorierten Lithographie „Das neue Schauspielhaus in Königsberg. Von E. Bilz. 1839“ (Abbildung 3) an der Längsseite des Hauses Spuren eines Frieses zu entdecken [Ludwig Goldstein. Festschrift 1918. S. 26].
Die ältere Vorlage zeigt gewiss keine Andeutung des von Goldstein erwähnten Frieses. Damit ist dessen Vermutung wohl unbegründet.
Durch das Stammbuch von Louis Angely verfügen wir nun neben der Abbildung von J.J. Wagner, die in der Abhandlung „Stadttheater Königsberg – Das äußere Erscheinungsbild im Wandel der Zeit“ wiedergegeben wird und ebenfalls der erwähnten Festschrift von 1918 entnommen ist, über eine zweite aus den ersten Jahren des Neuen Schauspielhauses. Der Künstler scheint in der linken unteren Ecke der Abbildung seine Signatur hinterlassen zu haben; es ist bisher nicht gelungen, ihn zu identifizieren.
Dank an Rainer Theobald, der mir eine Scandatei des Kupferstichs aus dem Stammbuch von Louis Angely überlassen hat.