1926 – 23. Preußisches Provinzial-Sängerfest Königsberg

Als der Ostpreußische Provinzial-Sängerbund für den 26.–28. Juni 1926 zum 23. Preußischen Provinzial-Sängerbundesfest, dem ersten nach dem Weltkrieg, einlud, hatte sich die Welt verändert und mit ihr Deutschland und Ostpreußen.

Die Vereinigten Staaten waren zur Weltmacht aufgestiegen, das russische Zarenreich war durch die Oktoberrevolution von der Sowjetunion abgelöst worden. In Deutschland hatte der Kaiser abgedankt, die junge, schwache Demokratie bemühte sich nach außen um Anerkennung als verlässliches Mitglied der Völkergemeinschaft und musste sich nach innen seiner Feinde erwehren.

Mit dem Versailler Vertrag war Danzig Freie Stadt unter der Aufsicht des Völkerbunds geworden und der überwiegende Teil Westpreußens an Polen gefallen, das Memelland kam treuhänderisch unter die Verwaltung des Völkerbunds, die zunächst durch Frankreich wahrgenommen wurde, der aber die faktische Annektion durch Litauen folgte. Masuren wurde zunächst von Deutschland und Polen beansprucht, bis eine Volksabstimmung im Mai 1920 den Verbleib bei Deutschland sicherte.

Die räumliche Trennung Ostpreußens vom Reichsgebiet durch den polnischen Korridor machte die Randlage im Deutschen Reich noch schmerzlicher bewusst als dies früher schon der Fall war. Die wirtschaftlichen und verkehrspolitischen Beeinträchtigungen waren enorm, führten aber einerseits zu großzügiger Unterstützung (Reichszuschüsse, Partnerschaften mit Städten des deutschen Kerngebiets) und zum anderen zur Stärkung der nationalen Identität der Ostpreußen.
Für die organisierte Männerchorbewegung Ostpreußens wurde durch die politische Faktenlage eine neue Organisationstruktur notwendig (hier ein Link zur Geschichte der Preußischen Sängerfeste). Die Aufteilung in drei Sängerbünde war obsolet geworden; die westpreußischen Vereine gab es nicht mehr. Da machte es keinen Sinn, den Ostpreußischen Provinzial-Sängerbund und den Preußischen Sängerbund weiterhin getrennt fortzuführen. Die beiden Bünde beschlossen deshalb am 10. Juni 1923, sich zum 1. Januar 1924 im Preußischen Provinzial-Sängerbund zu vereinigen. Die Inflation und viele Unwägbarkeiten ließen das erste Sängerbundesfest erst im Juni 1926 Wirklichkeit werden. Bis dahin fanden auf der Ebene der Sängergaue, den Untergliederungen des Sängerbundes, eine große Zahl von Gau-Sängerfesten statt.

23. Preußisches Provinzial-Sängerbundesfest 1926
Festbuch - Innentitel
(Museum Stadt Königsberg Duisburg)

Als man nun 1926 zum 23. Preußischen Provinzial-Sängerbundesfest unter der Schirmherrschaft des Reichspräsidenten von Hindenburg zusammenkam, zeigte sich, dass die Organisation des ostpreußischen Männerchorgesangs zu einer Volksbewegung angewachsen war. Das lässt sich überzeugend durch den Vergleich mit einigen Zahlen des 21. Ostpreußischen Provinzial-Sängerfestes 1903 in Königsberg belegen, wobei zu berücksichtigen ist, dass damals auch Vereine aus Westpreußen teilnehmen konnten.

Anzahl der Vereine 1903 1926
insgesamt 97 173
Königsberg 6 28
Danzig 12 15
Memelland 3 6

 

Die Teilnahme von Vereinen aus Danzig und dem Memelland war natürlich eine politische Demonstration. Man fühlte sich Deutschland zugehörig und wollte das unmissverständlich zeigen.

Gliederung: