19. Jht.

19. Jahrhundert

 

Die Theatergeschichte Memels unterscheidet sich bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, soweit sie grob beschrieben werden soll, nicht von der vieler anderer mittelgroßer Städte des deutschsprachigen Raums. Im 19. Jahrhundert spielt allerdings die Grenzlage zum Baltikum und die Nähe zum zaristischen Russland insofern eine Rolle, als viele Künstler auf der Durchreise nach Reval, Riga, Wilna oder vor allem St. Petersburg gerne die Gelegenheit für einen Auftritt in Memel nutzten. Auch Schauspieler, Sänger und Instrumentalsolisten, die für ein Gastspiel nach Königsberg engagiert waren, machten hin und wieder einen kurzen Abstecher nach Memel oder Tilsit.

Eine herausragende, wenn auch nur kurzfristige Episode der Memeler Stadt- und Theatergeschichte übergeht Kurschat (s. Quellen) völlig: den Aufenthalt des preußischen Königspaares und des Hofes in Memel im Zeitraum von Januar 1807 bis Januar 1808. Hierhin folgte der Königsberger Theaterdirektor Carl Steinberg und führte dort "eine zweite Gesellschaft, die Memel, Liebau und andere Städte bereiset."  (Iffland. S. 140, s. Quellen)

Neben Königsberg waren Memel und Tilsit frühzeitig bemüht, regelmäßige Theaterangebote zu organisieren, teils durch eigene Kräfte, teils durch mehr oder weniger ausgedehnte Gastspiele. In Memel wurden für diesen Zweck im 19. Jahrhundert verschiedene Gebäude benutzt (teilweise nach Kurschat, s. Quellen):

1775 Erste Erwähnung eines Theaters
1803 Schauspielhaus im alten Packhof an der Dange
1818 Ein von Memeler Holzhändlern erstellter Bau (200 Plätze)
1820 Schauspielhaus auf dem Exerzierplatz (1854 durch Brand zerstört)
1854/55 Vorstellungen in Tilsit, Insterburg und Gumbinnen (Wintermonate)
1855 Sommerbühne im Schützenpark (Frühjahr bis September)
1855/56 Theater im Lippers Hotel (Provisorium)
1858/60 Neubau des abgebrannten Schauspielhauses (Eröffnung am 14.10.1860)

 

Dieser Neubau erfuhr noch mehrere Umbauten, blieb aber bis 1944 das Dominzil des Memeler Theaters.

Die wichtigsten Theaterdirektoren bis etwa 1880 waren Franz Eduard Morohn (1841–1866) und Herrmann Lincke (1866–1882). Unter Morohns Leitung begann die Phase der Theaterpartnerschaften mit anderen Städten, besonders mit Tilsit, die immer wieder unterbrochen wurde, weil man ganz auf eigenen Füßen stehen wollte, was aber bis 1904 nicht recht gelingen wollte:

1860–71 Memel / Tilsit: Vereinigte Stadttheater
1872–74 z. Zt. unbekannt; vermutlich weiterhin Theatervereinigung mit Tilsit
1875–84 Memel / Tilsit: Vereinigte Stadttheater
1886 Memel / Tilsit – verbunden mit dem Sommertheater Insterburg
1887 Memel / Tilsit: Vereinigte Stadttheater
1893–1904 Memel / Tilsit: Vereinigte Stadttheater

 

In dieser Zeit leiteten das Theater (wie in Tilsit)

  • 1882–1885 Willy Eschbach
  • 1885–1890 Eduard Carlsen und
  • 1890–1904 Emil Hannemann

Es wurde epochal gespielt, d.h. solange in einer der beiden Städte Aufführungen stattfanden, ruhte der Betrieb in der jeweils anderen.

Ungewohnte Verhältnisse herrschten von Mitte 1891 bis Ende 1892, als Hannemann vorübergehend aus seinem Vertrag entlassen wurde:

  • Zuerst pachtete Georg Tyrkowsky, der Leiter des Königsberger Sommertheaters im Schützenhaus, das Schauspielhaus für die Saison 1891/92, musste aber "wegen Theilnahmlosigkeit des Publikums" schon am 7. Dezember 1891 die Segel streichen.
  • Dann brachte im Frühjahr 1892 für drei Wochen Eugen M. Mauthner, der schon 1886 und 1887 das Königsberger Sommertheater in der Bürger-Ressource geleitet hatte, mit seinem Berliner Schauspiel-Ensemble vorwiegend Boulevard-Stücke.
  • Schließlich folgte Ende 1892 für wenige Wochen Direktor Pollack aus Elbing mit einer Operngesellschaft.