In dieser Abteilung des Portals werden die Spielpläne der Königsberger und ostpreußischen Theater ab etwa 1900 dokumentiert. Deswegen werden Ereignisse des 19. Jahrhunderts hier nur gestreift. In dem Menü Theaterzettel wird die Geschichte des Königsberger Stadttheaters im 19. Jahrhundert allerdings sehr breit behandelt. Für die Spielpläne im 18. Jh. gibt es eigenes Menü.
Solange das Königsberger Theater unter verschiedenen Namen im Gebäude am Paradeplatz bzw. Theaterplatz spielte (von 1808 bis 1927/28), war dieses Eigentum der Königsberger Theater-Aktien-Gesellschaft. Ein erster, 1808 eröffneter Bau war bereits nach wenigen Wochen abgebrannt, aber zügig ersetzt worden. Die Wiedereröffnung des Königsbergschen Theaters fand am 9. Dezember 1809 im Beisein von König Friedrich Wilhelm III und Königin Luise statt. Dieses Gebäude erfuhr manchen Umbau und etliche Erweiterungen (z. B. 1840, 1852, 1860, 1892/93, 1911/12).
Aushangzettel zur Wiedereröffnung am 9. Dezember 1809 (Ausschnitt)
Details im Menü Theaterzettel
Das Theater wurde anfangs oft an Theaterdirektoren vermietet, die sich wegen der hohen Pacht meist nicht lange hielten (s. die Liste der künstlerischen Leiter am Ende dieses Textes). In der Reihe der Direktoren fällt wegen der Dauer seiner Tätigkeit Arthur Woltersdorff ins Auge, der die Leitung von 1844 bis 1876 innehatte, wenn er gegen Ende auch – vor allem wegen der künstlerischen Qualität seiner Produktionen – heftigen Angriffen ausgesetzt war, u. a. vom allseits hoch geschätzten Louis Köhler, dem bedeutendsten Königsberger Kritiker im 19. Jahrhundert.
Woltersdorffs Nachfolger Max Staegemann wird vor allem dadurch in Erinnerung bleiben, dass in seiner Zeit (1876–1879) Bizets Carmen am 26. Oktober 1879 ihre erste deutsche Aufführung erlebte (Theaterzettel in mäßiger Auflösung bei Kroll 123).
Der nächste Theaterdirektor mit einer nennenswerten Wirkungszeit war Adolf Varena (1842–1912), der das Haus von 1892 bis 1912 künstlerisch leitete. Ihm ist ein eigener Beitrag im Menü Personen und Institutionen gewidmet.
Anmerkung: Während Varenas Tätigkeit als Theaterdirektor war Ernst Otto Nodnagel von 1899 bis 1903 Musikkritiker bei der "Ostpreußischen Zeitung". Um die 200 Kritiken sind erhalten; etwa die Hälfte beziehen sich auf Vorstellungen des Stadttheaters. Sie sind an anderer Stelle dieses Portals zugänglich.
Auf Varena folgte 1912 für zwei Spielzeiten sein Schwiegersohn Max Berg-Ehlert, dessen Programmgestaltung insofern einen neuen Akzent setzte, als er Opern von Richard Strauss regelmäßig auf die Bühne brachte (Ariadne auf Naxos, Rosenkavalier, Salome). Auch eine Inszenierung von Wagners gesamtem Ring ist zu erwähnen und die erste Königsberger Aufführung des Parsifal, der damals freigegeben worden war, nachdem er bis dahin nur in Bayreuth hatte gespielt werden dürfen.
Das Stadttheater ca. 1900
Der Erste Weltkrieg griff in die Arbeit des Stadttheaters nachhaltig ein, weil das Gebäude von der Militärverwaltung als Kriegslazarett beansprucht wurde und der Theaterbetrieb deshalb ruhte. Es ist ein Kuriosum, dass gleichwohl ein neuer künstlerischer Leiter bestellt wurde, nämlich Max Richards, der von 1897 bis 1915/16 Leiter des Stadttheaters Halle a. d. Saale war. Unter dessen Direktion fand von 1914 bis 1918 keine einzige Aufführung statt.
Nach dem Ersten Weltkrieg geriet das Stadttheater in eine Phase ständiger organisatorischer Veränderungen, die erst nach 14 Jahren zu einem Abschluss kam. Nachdem in der zweiten Hälfte der Spielzeit 1919/20 neben Paul von Klenaus Ballett "Klein Idas Blumen" und Ermanno Wolf-Ferraris "Susannens Geheimnis" nur noch "Don Juan" von Mozart (also in deutscher Sprache, wie damals noch üblich) neu herausgebracht worden waren, wurden von September bis Dezember 1920 gar keine Musikwerke mehr gespielt. Zum 1. Januar 1921 übernahm die Volksbühne GmbH, die seit 1910 bestehende Besucherorganisation des Stadttheaters, den Spielbetrieb als reines Sprechtheater. Josef Geißel, der alte und neue künstlerische Leiter, war selbst gelernter Schauspieler und stand dem Musiktheater relativ indifferent gegenüber. Auf diesem Gebiet ging ihm wohl auch ein sicheres Qualitätsurteil ab.
Im Zeitraum von Dezember 1922 bis Februar 1923 war die Volksbühne an den spielfreien Wochentagen zu Gastspielen in drei ostpreußischen Provinzstädten unterwegs. Es kam zu je fünf Auftritten in Gumbinnen und Stallupönen und zu zehn in Insterburg (Details im Spielplan 1922/23).
Königsberger Anhänger eines geregelten Opernbetriebs gründeten unter der Leitung der Kaufleute Bruno Dumont du Voitel und Benno Meyerowitz die Königsberger Operngesellschaft mbH und konnten in den Spielzeiten 1921/22 und 1922/23 im Stadttheater an jeweils fünf Wochentagen Opern anbieten (SO, DI, MI, DO, SA). Die Volksbühne spielte wöchentlich dreimal (SO nachm., MO, FR). Dies war ein wichtiger Schritt zur Etablierung einer reinen Opernbühne in Königsberg.
Indes nahm der Prozess noch einige Jahre in Anspruch und brauchte etliche Umwege. Im Sommer 1923 schloss das Neue Luisentheater. Dumont du Voitel nutzte die Gelegenheit, um im frei gewordenen Theatergebäude in der Hufenallee die Komische Oper zu etablieren, die sich zwei Spielzeiten hielt. Im Stadttheater gewannen Operetten- und Opernaufführungen unter Josef Geißel als Reaktion auf die neue Konkurrenz ein immer größeres Gewicht, so dass für zwei Jahre gleich zwei Musikbühnen nebeneinander existierten, während das Neue Schauspielhaus für das Sprechtheater stand. Das Stadttheater nannte sich nun bereits Opernhaus.
Gleichzeitig rückten das Stadttheater und das Neue Schauspielhaus, obwohl noch in getrennter Trägerschaft, einander auch organisatorisch näher: Vom Dezember 1924 firmierten sie als "Ostpreußisches Landestheater" unter einem gemeinsamen Etikett.
Zeitlich parallel verlief der über fast ein Jahrzehnt dauernde Prozess des Engagements der Stadt Königsberg für seine beiden wichtigsten Theater. Nachdem die Komische Oper ihre Arbeit eingestellt hatte, kaufte die Stadt Königsberg das Gebäude in der Hufenallee und baute es um. Daneben übernahm die Stadt in einem längeren Prozess die Aktien der Königsberger Theater-Aktien-Gesellschaft sowie die Eigentumsrechte am Neuen Schauspielhaus. Von 1928/29 bis 1933 wurden die Betriebsrechte beider Theater verpachtet: die des Opernhauses an die zunächst weiter bestehende Theater-Aktien-Gesellschaft und die des Neuen Schauspielhauses an die Neue Schauspielhaus GmbH. Ab 1933 übernahm die Stadt auch den Betrieb beider Theater, die nun unter dem Namen "Städtische Bühnen" firmierten, zwar mit getrennten Ensembles, aber mit gemeinsamer Verwaltung (im Gebäude am Theaterplatz). Die Intendanzen waren gewöhnlich getrennt, zeitweise (1935/36 bis 1941/42) aber auch in einer Hand. Diese Konstruktion hielt bis zum Untergang der Königsberger Theater 1944.
Der symbolische Schritt für das entscheidende Engagement der Stadt Königsberg war der Umzug des Neuen Schauspielhauses in das Gebäude Hufenallee 2, wo am 29. September 1927 – noch unter dem Rubrum "Ostpreußisches Landestheater" – mit Shakespeares "Sturm" ein neues Kapitel aufgeschlagen wurde.
Mit der Übernahme der Eigentumsrechte durch die Stadt zur Spielzeit 1928/29 war die Geschichte des Stadttheaters zu Ende gekommen; als Opernhaus wurde sie fortgesetzt.
Das Königsberger Stadttheater war immer das führende ostpreußische Theater. Wenn man es in der Gesamtheit der Theater im deutschsprachigen Raum betrachtet, kann man ihm nicht einen Spitzenrang zuschreiben, es behauptete seinen Platz aber verlässlich in der zweiten Reihe und hob sich damit von der Großzahl der Provinzbühnen deutlich ab. Junge Künstler nutzten Königsberg gerne als Sprungbrett zu den großen, vor allem den Berliner Bühnen.
Das Stadttheater hatte wenige Künstler in seinen Reihen, die später Weltrang erreichten. Frida Leider gehörte dem Ensemble unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg für zwei Spielzeiten an. Sie äußerte sich in ihren Erinnerungen anerkennend und von Sympathie getragen über ihre Königsberger Zeit (s. Auswahlbibliografie), wenn auch die äußeren Ereignisse am Ende des Ersten Weltkriegs einen breiteren Raum einnehmen als die künstlerischen.
Dagegen waren die Erfahrungen von zwei anderen berühmten Theatermitgliedern eher ernüchternd.
Richard Wagner, der 1836/37 nur nach Königsberg gekommen war, um der Schauspielerin Minna Planer zu folgen, die er hier auch heiratete, fand den ihm in Aussicht gestellten Kapellmeisterposten besetzt vor und kam kaum zum Einsatz, so dass er Königsberg auf der Flucht vor seinen Gläubigern wieder verließ.
Felix Weingartner war 1884 als Zweiter Kapellmeister in Königsberg. Seine Bilanz war negativ: Das Klima im Theater sei von Missgunst beherrscht gewesen. Lediglich der freundschaftiche Kontakt mit Louis Köhler, dem Kritker, und der Mutter des großen Königsberger Pianisten Alfred Reisenauer habe ihm die Situation erträglich gemacht.
Schließlich gehörte Emil Jannings in der Spielzeit 1911/12 dem Ensemble an; Äußerungen des Schauspielers über seine Königsberger Zeit sind nicht bekannt.
In Königsberg konnte ein Schauspieler oder Sänger Erfahrungen sammeln. Die Bedeutung des Königsberger Stadttheaters war durchaus eine herausgehobene: In der dritten Residenz- und Krönungsstadt der preußischen Monarchie war die königliche Familie oft zu Gast und verbürgte allein dadurch einen gewissen gesellschaftlichen Rang. Wer hier als Künstler auf sich aufmerksam machte, dem war der weitere Weg an eine Spitzenbühne meist geebnet.
Abschließend die Liste der Direktoren / künstlerischen Leiter:
a) für den Zeitraum von 1802–1834 teilweise nach Ernst August Hagen, Erhard Roß und Ernst Moser – s. Auswahlbibliografie);
b) für die gesamte Zeit auch ergänzt bzw. präzisiert durch eigene Forschungen:
1802 | Carl Steinberg (bis 07.09.1806) |
1806-08 | Theater-Administration, Johann Christoph Strödel, Carl Beinhöfer (14.09.1806-30.06.1808) |
1808 | Anton Schwartz, Carl Steinberg (17.07.-30.10.1808) |
1808/09 | Anton Schwartz (01.11.1808-26.05.1809) |
1809 | Carl Steinberg (Juni 1809) |
1809/10 | Anton Schwartz (28.07.1809-10.05.1810) |
1810 | Carl Steinberg (12.05.1810-31.01.1811 - Tod Steinbergs) |
1811 | Theater-Administration (02.02.–04.07.1811) |
1811 | Friedrich Karl Julius Schütz (05.07.–01.12.1811) |
1811/12 | Karl Friedrich Wihelm Fleischer, J. F. Weiß (02.12.1811–24.11.1812) |
1812/13 | Theater-Verwaltung, J. F. Weiß (25.11.1812-04.09.1813) |
1813 | Theater-Verwaltung (05.09.-01.10.1813) |
1813/14 | Carl Beinhöfer (14.11.1813-01.10.1814) |
1814/15 | Theater-Verwaltung, August von Kotzebue (01.10.1814–05.10.1815) |
1815/16 | Theater-Verwaltung, Friedrich Feddersen, Johann Theodor Mosewius, Julius Miller (05.10.–01.11.1815) |
1815/16 | Reg.-Rat Valerian Müller (02.11.1815–13.05.1816) |
1816/17 | Daniel Huray (25.08.1816–11.03.1817) |
1817–19 | Carl Döbbelin (01.10.1817–04.04.1819) |
1819–23 | Daniel Huray (10.10.1819–24.10.1823) |
1823/24 | Theater-Verwaltung (07.11.1823-06.01.1824) |
1824 | Daniel Huray, Adolph Schröder (21.03.-09.04.1824) |
1824–27 | Adolph Schröder (11.04.1824-07.02.1827) |
1828–30 | Theater-Verwaltung (wenige Veranstaltungen auch schon Februar/März 1827) |
1831 | Theater-Verwaltung, Wilhelm Ludewig, Vereinigte Gesellschaft der Schauspieler |
1831–34 | Theater-Verwaltung; Geh. Justizrat Mertens "und andere Nobilitäten der Einwohnerschaft" |
1834–42 | Anton Hübsch |
1842–44 | Friedrich Tietz (01.02.1842–16.09.1844) |
1844–76 | Arthur Woltersdorff (ab 01.10.1844 ein Komitee, dem auch Woltersdorff angehörte; dann Woltersdorff alleine als "Direktor und Unternehmer") |
1876–79 | Max Stägemann |
1879–83 | Albert Goldberg |
1884–86 | Adolf Werther |
1886–90 | Andreas August Aman |
1890–92 | Heinrich Jantsch |
1892–12 | Adolf Varena |
1912–14 | Max Berg-Ehlert |
1914–18 | Max Richards |
1918–20 | Ludwig Hertzer |
1920 | Josef Geißel |
1921–23 | Josef Geißel (Volksbühne); Bruno Dumont du Voitel, Benno Meyerowitz (Operngesellschaft) |
1923–27 | Josef Geißel |
1927/28 | Josef Geißel, "Intendanz" |
Hier geht es zu den Spielplänen für den Zeitraum 1896–1928.