Ernst Otto Nodnagel: Prozess Wilhelmi

Am 7. Februar 1900 erhob der Königsberger Opernsänger Otto Wilhelmi beim Amtsgericht Königsberg Klage gegen Ernst Otto Nodnagel, in der er ihn beschuldigte, „den Privatkläger beleidigt zu haben resp. von demselben nicht erweislich wahre Thatsachen behauptet zu haben, welche geeignet sind, den Privatkläger in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen und verächtlich zu machen.“ Nodnagel unterlag in drei Instanzen.

Der Prozess Wilhelmi ./. Nodnagel beschäftigte 1900 die Königsberger Kulturszene etwa ein halbes Jahr lang. Es ging um die Frage, wie weit ein Kritiker in seinen Besprechungen gehen darf, wenn er künstlerische Leistungen rezensiert.

Unter zwei Gesichtspunkten ist der Wilhelmi-Prozess eine rechts- und kulturhistorische Episode, die noch heute Interesse beanspruchen kann. Einerseits besticht, wie die Gerichte begründeten, der Angeklagte habe die Absicht gehabt, den Kläger zu beleidigen.

Zum anderen erstaunt es aus heutiger Sicht, welch breiten Raum die wilhelminische Rechtsprechung einem Kritiker grundsätzlich bei der Benennung von Mängeln einräumte: Die Grenze war nicht überschritten, so lange er sich auf – wenn auch noch so deutlich benannte – Aspekte beschränkte, die aus der Sache begründet wurden und die die Persönlichkeit des Künstlers unberührt ließen.

Die Prozessakten befinden sich bei Nodnagels Nachlass im Westfälischen Musikarchiv Hagen (WMA 201/04 ), auch ein umfangreicher Artikel der Hartungschen Zeitung über die mündliche Verhandlung vor dem Königsberger Amtsgericht (1. Instanz).

Amtsgericht Königsberg – Ausfertigung der Entscheidung vom 27.4.1900, Seite 1
(Westfälisches Musikarchiv Hagen – Nachlass Nodnagel – WMA 201/04 )

 

Die Dokumente sind, soweit sie hier berücksichtigt werden, im vollen Wortlaut wiedergegeben; nachträgliche Randbemerkungen Nodnagels erscheinen als Fußnoten: