Julchenthal

Das Neue Theater Julchenthal wird hier nur aufgenommen als Beispiel für ein Unternehmen, das ein reines Sommertheater entweder nicht sein wollte oder konnte. Die wenigen zugänglichen Informationen zeigen einen Betrieb zwischen Theater und Panoptikum.

Juchenthal in den Middelhufen verfügte über einen großen Park und mehrere geräumige Säle, die sich für Bühnendarstellungen oder Ausstellungen eigneten. Hier wurde um 1900 mancherlei Amusement angeboten.

Das Neue Theater Julchenthal trat als Sommertheater 1900 oder 1901 in Erscheinung und hielt sich vielleicht nur bis 1902. Aber noch Jahrzehnte später fanden hier immer wieder unterschiedlichste Veranstaltungen statt, von Laiendarbietungen (Mitwirkende: Königsberger Schulen, Vereine und sonstige Interessierte) bis zu anspruchslosen Wochenendvergnügungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg berichteten ehemalige Königsberger über ihre Teilnahme an derartigen Veranstaltungen.

Julchenthal 1901
(Im Vordergrund links ein Plakat des Neuen Theaters Julchenthal)

1901 gastierte im Neuen Theater Julchenthal (Direktion Schalkau) eine Zeitlang ein Parodietheater aus Berlin (Moser 198).

Die größten und vielleicht letzten Anstrengungen dieser Art wurden 1902 unternommen. Moser berichtet:

Zu dieser Zeit lernten die Königsberger auch das Original-Überbrettl unter persönlicher Leitung Ernst von Wolzogens im Neuen Theater in Julchenthal kennen. Zu den Hauptdarstellern zählten – außer Wolzogen und seiner Frau Laura geborenene Seemann – Fräulein Bozena Bradsky, Olga Wohlbrück, Dorsag [recte: Dorsay – HDM], Dvorak [recte: Dvorschak – HDM] und die Herren Stampe und Forest unter der musikalischen Direktion von Oskar Strauß [recte: Straus – HDM].

Anmerkung: Über Wolzogens Gastspiel liegt noch eine Kritik von Ernst Otto Nodnagel in der Ostpreußischen Zeitung vor, die an anderer Stelle dieses Netzportals zugänglich ist.

Später zog in dasselbe Theater ein Berliner Ensemble, das Possen wie "Coralie & Co.", "Charley's Tante" gab und, vom 1. Mai ab, ein sogenannten Ausstellungstheater "Transvaal", das einen erhofften Betrag für die Buren in Afrika in Aussicht stellte, bereits aber am 10. Juni "mit großem Difficit verkrachte" (Moser 203).

Ostpreußische Zeitung 24. Mai 1902
(Westfälisches Musikarchiv Hagen – Nachlass Ernst Otto Nodnagel)

Anmerkung zur Abbildung der Zeitungsannonce: Im unteren Teil wird Castan's Panoptikum beworben. Dabei handelt es sich um ein Wachsfigurenkabinett mit Sitz in Berlin, damals für Jahrzehnte das führende seiner Art in Deutschland. Gelegentlich wurden Teile des Inventars zu Ausstellungen durch das Reich geschickt (s. den Beitrag bei Wikipedia).

Gelegentlich gab es in diesen Jahren in Julchenthal auch Sinfoniekonzerte. So schreibt Erwin Kroll über Königsberger Aufführungen von Werken des Musikkritikers der Ostpreußischen Zeitung Ernst Otto Nodnagel:

Dessen "Symbolien", "Vom tapferen Schneiderlein" und "L'Adultera" wurden in den Konzerten Brodes und Wendels aufgeführt. Ich selbst, damals noch Gymnasiast, erlebte das letztgenannte Werk in Julchenthal. (Kroll 160).
[Ergänzung HDM: Nach Angaben Nodnagels waren beide Konzerte Benefizveranstaltungen für Max Brode; das erste fand am 14.9.1901, dasjenige in Julchenthal am 8.9.1902 statt.]