Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Königsberger Opernlandschaft für einige Jahre von dem Kaufmann Bruno Dumont du Voitel wesentlich mitgeprägt. Schon am Beginn des 19. Jahrhunderts waren es engagierte Bürger gewesen, die 1804 die Königsberger Theater-Aktien-Gesellschaft gegründet hatten (zwei Kommerzienräte, zwei Kriminalräte, ein Arzt, ein Buchhändler, ein Staatsrat, ein Kriegsrat und ein Theaterdirektor). Als Ergebnis entstand das Stadttheater am Paradeplatz, das als Opernhaus bis zum Untergang Königsbergs existierte.
Als nach dem Ersten Weltkrieg das Stadttheater in Turbulenzen geriet (Details im Text über das Stadttheater), war der Musikbetrieb gefährdet. Von Januar bis Mai 1921 fand nur Sprechtheater statt; das Orchester und das Sängerensemble wurden entlassen. Da gründete der Opernenthusiast Bruno Dumont du Voitel mit seinem Kaufmannskollegen Benno Meyerowitz (s. biografische Notiz zu Meyerowitz) die Königsberger Operngesellschaft mbH. Sie stellten sicher, dass in den Spielzeiten 1921/22 und 1922/23 ein hochwertiges Musikprogramm angeboten werden konnte. Gespielt wurde im Stadttheater, das an fünf Wochentagen genutzt wurde (SO, DI, MI, DO, SA), während montags und freitags sowie den Sonntagnachmittagen die Volksbühne Sprechtheater machte.
Die Zuständigkeiten waren indes kompliziert geregelt. Es gab nach wie vor sehr enge Verknüpfungen mit der Administration des Stadttheaters:
- Eigentümer war die Königsberger Theater-Aktiengesellschaft wie schon immer beim Stadttheater
- die Stadt Königsberg gab weiterhin einen Zuschuss zum Betrieb des Theaters
- die künstlerische Leitung lag bei Ludwig Hertzer, der diese Funktion auch bisher beim Stadttheater wahrgenommen hatte
- und Josef Geißel, der Direktor der gleichzeitig im Stadttheater spielenden Volksbühne, wurde als technischer Direktor angegeben.
Es war faktisch so, dass Dumont du Voitel und Meyerowitz, die als Geschäftliche Leitung fungierten, durch erhebliche private Zuschüsse den Betrieb garantierten und dabei ihren Einfluss nutzten, dass im Stadttheater ein anständiges Opernprogramm geboten wurde.
Anmerkung: Es ist sicher kein Zufall, dass Dumont du Voitel 1921 sein schon 1911 erworbenes Dampfschiff Margarethe an die Litauische Schiffahrts-AG in Memel verkaufte. Mit dem Erlös wird er den Opernbetrieb subventioniert haben.
Eine auf Opern spezialisierte Bühne hatte es in Könisgberg bis dahin noch nicht gegeben, und das Repertoire sprach für sich: Gleich in der ersten Spielzeit wurden sechs Opern Richard Wagners aufgeführt, fünf von Verdi, aber auch die Zauberflöte und Fidelio, ebenso Die tote Stadt von Erich Wolfgang Korngold als Königsberger Erstaufführung (bereits ein gutes Jahr nach der Uraufführung).
Titelseite eines Programmhefts
Als im Sommer 1923 das Neue Luisentheater schloss, nutzte Dumont du Voitel auf dem Höhepunkt der Inflation die Gelegenheit, im frei gewordenen Theatergebäude in der Hufenallee die Komische Oper zu etablieren, die sich zwei Spielzeiten hielt. Das Stadttheater musste auf die neue Konkurrenz reagieren: Operetten- und Opernaufführungen erhielten einen immer größeren, dann sogar bestimmenden Anteil am Spielplan. Durch das unfreiwillige, wenn auch nur kurz währende Nebeneinander musste sich das Stadttheater als ernst zu nehmende Musikbühne profilieren und zum Opernhaus entwickeln. Dies war rückblickend das größte Verdienst der Königsberger Operngesellschaft und der Komischen Oper.
Hier geht es zu den Spielplänen von 1921–1923