Nur ein Zipfel ist derzeit von einem Theater zu fassen, das unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg existiert hat, das seinen Sitz in Königsberg hatte, dort aber überhaupt nicht gespielt hat. Die Rede ist von der Ostdeutschen Wanderbühne, der offenbar kein langes Leben beschieden war. Hintergründe und Details lassen sich kaum noch rekonstruieren. Die Art und Weise, wie die Arbeit dieses Theaters hier überhaupt dokumentiert werden kann, hat eher die Form einer Fußnote. Offensichtlich ist die Existenz der Ostdeutschen Wanderbühne sowie die Dauer und Umstände ihrer Arbeit in der zugänglichen Königsberg-Literatur bisher nicht erwähnt worden.
Im Rückblick hat die Ostdeutsche Wanderbühne durchaus Bedeutung für die Entwicklung der ostpreußischen Theaterlandschaft, soweit es die Versorgung der Provinz betrifft. Die Theatergründungen des 19. Jahrhunderts sollten den Bedarf der größeren Städte decken (Königsberg, Allenstein, Memel, Tilsit). Wo sich Lösungen für nur eine Stadt nicht als tragfähig erwiesen, kam es auch zu Verbundlösungen (Details unter dem Menü Provinztheater). Gemeinsames Merkmal war die Zusammenarbeit mehrerer mittelgroßer Städte, bei der ein Ensemble mehrere Orte bediente.
Um 1910 regte sich aber auch in kleineren Orten, in Städten mit Einwohnerzahlen zwischen 2000 und 20000 der Bedarf nach regelmäßiger ortsnaher Theaterversorgung.
In Ostpreußen lassen sich zwei Beispiele dafür anführen, wie auf diese Nachfrage reagiert wurde. Das Neue Luisentheater unternahm von März bis Mai 1913 eine Tournee durch 23 Provinzstädte, offenbar um herauszufinden, ob dieses Modell zukunftsträchtig sei. Es ist bei diesem Versuch geblieben.
Die Ostdeutsche Wanderbühne nahm sich der Aufgabe ebenfalls an. Für den März und April 1914 meldete die Bühne der Redaktion des Deutschen Bühnen-Spielplans ihr Programm, die zzt. ausschließliche Informationsquelle. Danach hatte das Theater seinen Sitz in Königsberg und sein Künstlerischer Leiter war Pascal Du Bois Reymond. Von Du Bois Reymond ist bekannt, dass er später von 1930 bis 1933 als Schauspieler dem Ensemble des Neuen Schauspielhauses angehörte und darüber hinaus mindestens ab 1926 und bis 1934 hier weitere Auftritte hatte.
Die Ostdeutsche Wanderbühne bot eine Reihe durchaus anspruchsvoller Schauspiele an; Lustspiele waren die Ausnahme. Das Theater bereiste 18 Orte.
Über den Beginn, weniger das Ende der Theaterexistenz sind derzeit nicht einmal Vermutungen erlaubt. Sehr gewiss hat der Erste Weltkrieg verhindert, dass die Bühne weitergeführt werden konnte. Es ist aber anzunehmen, dass das Theater bereits vor der hier dokumentierten Zeitspanne gespielt hat..
Als sich nach den Wirren des Kriegs und der Nachkriegsjahre wieder normalere Verhältnisse eingestellt hatten, wurde die Frage nach der Theaterversorgung des ländlichen Raumes organisatorisch durch die Kombination von Zentralstandort und "Abstechern" gelöst. Beispiele sind das Süd-Ostpreußische Landestheater Allenstein und das Grenzlandtheater Tilsit. Diese Konstruktion hatte bis 1944 Bestand. — Schon vorher – von Dezember 1922 und Februar 1923 – hatte die Königsberger Volksbühne, die damals das Stadttheater bespielte, insgesamt 20 Gastspiele in Gumbinnen, Insterburg und Stallupönen gegeben (Details unter Stadttheater Königsberg).
Aber auch zwei reine Wanderbühnen haben in Ostpreußen später ihr Glück versucht: das Landestheater für Ost- und Westpreußen und die Ostpreußische Bühne, die um 1930 die Provinz versorgten. Sie hielten sich allerdings nur wenige Jahre.
Hier geht es zu den Spielplänen von 1914.