Grenzlandtheater Tilsit

1933 wurde mit der Machtergreifung das Tilsiter Theater personell und organisatorisch umgestaltet. Der bisherige Intendant Ernst Günther Scherzer wurde als – so der „Tilsit-Arbeitsbrief“ – zu judenfreundlich abgelöst. Ihm folgte Ernst Badekow, der diese Funktion bis 1943 ausübte. Dann war bis zum Ende der deutschen Zeit Paul Schulz-Wernburg künstlerischer Leiter.

Das Theater wurde schon 1933 in Grenzlandtheater Tilsit umbenannt. Die Versorgung des Umlands durch Abstecher in die nördlichen ostpreußischen Kleinstädte (und später auch darüber hinaus) gehörte nun zu den selbstverständlichen Aufgaben. Die wichtigsten dieser Orte waren:

Bartenstein, Darkehmen, Eydtkuhnen, Gerdauen, Goldap, Gumbinnen, Insterburg, Kaukehmen, Oletzko, Pillkallen, Ragnit, Stallupönen, Tapiau, Wehlau.

Die Städte wurden 1938 teilweise umbenannt – germanisiert. Hierzu zum besseren Verständnis der Spielpläne am Ende dieses Beitrags eine Liste von Orten, die von Tilsit bespielt wurden und bei denen ein Namenswechsel stattfand.

Das politische System und der Krieg griffen substanziell in die Theaterarbeit ein. Soweit es um Aspekte geht, die die organisatorische Verfassung des Theaters betreffen, wird dies in einem eigenen Menüpunkt behandelt. – Bei der Programmgestaltung im engeren Sinne zeigte der neue Intendant Ernst Badekow gleich bei der Eröffnung der Spielzeit 1933/34, woher der Wind nun wehte: Am 10. Oktober wurde Johsts Kampfstück Schlageter erstaufgeführt. Mit den Stücken Geschlagen (Franck) und Flieger (Roßmann) folgten in dieser Saison zwei weitere Schauspiele, die dem Geist der neuen Zeit entsprachen. Am 9. November 1934 gab es eine Gedenkstunde zur Erinnerung an den Hitler-Ludendorff-Putsch 1923.

Auf der Musikbühne blieb Tilsit sich treu: Den Schwerpunkt bildete die "beliebte Operette" und die Spieloper. Die hohe Schule der deutschen Opernliteratur blieb weitgehend ausgespart: Keine Oper von Wagner, von Richard Strauss lediglich 1937/38 der Rosenkavalier, allerdings von Mozart Figaros Hochzeit (1937/38 und 1942/43), Cosí fan tutte (1938/39), Die Entführung (1939/40) und Don Giovanni (1940/41). Zu erwähnen Aufführungen des Freischütz (1937/38), von Carmen (1935/36) und mehrerer Verdi-Opern (Rigoletto, Traviata, Troubadour). – Bei dieser Einordnung ist zu bedenken, dass sie sich über einen Zeitraum von elf Spielzeiten erstreckt.

* * *

Namenswechsel von Spielorten des Grenzlandtheaters:

bis 1938 ab 1938
Alt Sussemilken Friedrichsrode
Darkehmen Angerapp
Eydtkuhnen Eydtkau
Groß Lenkeningken Gr. Lenkenau
Groß Skaisgirren Kreuzingen
Jentkutkampen Burgkampen
Jodlauken Schwalbental
Kraupischken Breitenstein
Laugßargen Laugszargen
Mallwischken Mallwen
Marggrabowa bzw. Oletzko Treuburg
Naujeningken Neusiedel
Obehlischken Schulzenhof
Pillkallen Schloßberg
Schittkehmen Wehrkirchen
Stallupönen Ebenrode
(Suwalken) Sudauen