Familienzwist

Eduard Sobolewski widerspricht öffentlich seinem Schwiegervater


Eduard Sobolewski berichtete in der Mitte der dreißiger Jahre aus Königsberg in der Neuen Zeitschrift für Musik. Im 5. Jg. (2. Halbj. 1836) liest man da auf S. 77:

… ist hier nichts Außergewöhnliches vorgefallen, was Sie nicht schon wüßten. Man müßte denn das Mißfallen darüber dahin rechnen, daß Herr Buchhalter Dorn [1] in der allgemeinen musikalischen Zeitung einige Unwahrheiten berichtet hat, nämlich: daß auf dem Musikfeste, das hier stattfand, die Ouverture zur Jagd von Mehul aufgeführt worden sei, wobei, wie ich glaube, die Bemerkung steht, daß man besser hätte wählen können. Sie ist nicht aufgeführt, wie auch die Cantemire nicht. Ferner war der Festgesang nicht von Sobolewski, sondern von Spontini, die Symphonie, die Hr. M.D. Schubert in den Orchesterconcerten aufführte, nicht in A-, sondern Es-Dur. Endlich sind die Bemerkungen über Rasiranstalten und Finkenthum nicht von Feski, wie hier einige meinen. J. Feski [2] fürchtet weder den Zorn des Einen noch des Andern. Er gehört weder zu denen, die sich untereinander verbinden, um sich gegenseitig zu loben, noch zu denen, die solche malitiöse Erfahrungen verbreiten, um sich mehr Zutrauen zu verschaffen, und schreibt stets, wenn es verlangt wird, seinen ganzen Namen aus.

J. F. E. Sobolewski.

Sobolewski reagierte auf einen Beitrag seines Schwiegervaters Johann Friedrich Dorn. Was hatte der geschrieben? Dorn hatte in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung eine „Übersicht des Jahres 1835“ gegeben und darin das Königsberger Musikleben grob summarisch beschrieben, die Diktion tatsächlich an die nüchterne Art eines Buchhalters erinnernd. Der erste und größte Teil des Berichts ist dem 1. Ostpreußischen Musikfest gewidmet, das im Juni 1835 unter der Leitung von Sämann in Königsberg stattfand und bei dem Sobolewski als Dirigent mitwirkte. Die Passagen in Dorns eher kritischem Bericht [3], auf die Sobolewski eingeht, sind die folgenden [durch Fettdruck hervorgehoben]:

… Am zweiten Tage im neuen Schauspielhause Beethoven’s Pastoral-Symphonie, Pianof.- Concert v. Kalkbrenner, erster Satz einer Symphonie v. Sobolewski, Scene aus der Vestalin, Concert für 4 Violinen v. L. Maurer, Ouvert. zur Olympia, Finale aus Bellini’s Romeo u. Julie, Ouverture La Chasse v. Mehul. (Gegen die Wahl mancher dieser Stücke liesse sich wohl Einiges einwenden.) Dirig. Hr. Sobolewski. Am dritten Tage im neuen Schauspielhause Ouverture zur Cantemire v. Feska u. zur Lodoiska v. Cherubini (warum diese, zwar schöne, aber so oft gehörte?), Scenen aus Gluck’s Iphigenia in Tauris, 2 sehr schöne Gesangcompositionen v. Hrn. MD. Sämann, ein Festgesang von Eisenhofer für 8 Solostimmen u. Doppelmännerchor, der aber Keinem gefiel, der Eisenhofer’s einfache, ansprechende 4stimmige Lieder lieb gewonnen hat; die Arbeit, zu diesem Fest verfertigt, klang gesucht. Volksgesang v. Sobolewski, u. als Krone des Ganzen, unter Hrn. MD. Sobol. Direction: Finale des ersten Akts aus Mozart’s D. Juan. Der Effect des Chorus: Trema, scelerato! von so vielen Kehlen gesungen, war erschütternd.

In den 8 Winter-Concerten des Orchesters kamen zur Ausführung Sinfonien von Ries, Beethoven, Kalliwoda, Spohr (die Weihe der Töne 2mal) u. von unserm jetzigen Musikdirector Louis Schuberth (A dur); Ouverturen v. Beethoven, Spontini, Fr. Schneider, Lindpaintner, Himmel, Cherubini, Fel. Mendelssohn-Barth. Concerte von L. Maurer, Baermann (Clarinette), Kalkbrenner (für 2 Pianoforte, gesp. v. Frl. Malinski u. Dorn), Pixis (Frl. Herz), Hummel u. s. w. Gesang: eine Arie aus L'Estocq, ges. v. Frl. Felsz aus Danzig, die für die Zukunft viel erwarten lässt.

Die Frage, welches die Motive für Sobolewskis immerhin ungewöhnliche Replik waren, bleibt ungeklärt. Es fällt schwer zu glauben, pure Wahrheitsliebe habe Sobolewski die Feder geführt.

 

Anmerkungen:

[1] Der Buchhalter-Hinweis ist eine kleine Boshaftigkeit Sobolewskis, der auf Dorns Brotberuf anspielt. Louis Köhler hat beispielsweise später über Dorns Rückzug aus seiner anfänglich aktiven Rolle im Sämannschen Singverein geschrieben: „Dorn wurde dem Vereine durch seine ausgebreitete Comptoir-Correspondenz nach und nach entzogen.“

[2] Sobolewski signierte seine Besprechungen in der Neuen Zeitschrift für Musik ab und an mit J. Feski.

[3] Dorns vollständiger Text über das Musikfest kann mit einem Klick erreicht werden.