Zeitgenössische Spuren Richard Wagners in Königsberg

Notiz

Richard Wagner war von Theaterdirektor Anton Hübsch für die Spielzeit 1836/37 als Kapellmeister an das Königsberger Stadttheater engagiert worden. Damit folgte er seiner Verlobten, der Schauspielerin Minna Planer, die zuvor einen Kontrakt mit Königsberg abgeschlossen hatte. Er heiratete sie hier am 24. November 1836. Die Trauung nahm der Prediger Johann Friedrich Hapsel in der Tragheimer Kirche vor. Der Königsberger Aufenthalt verlief aus Wagners Sicht in jeder Hinsicht deprimierend. Die Kapellmeisterstelle wurde bis April 1837 von Louis Schuberth ausgefüllt, und als sie tatsächlich frei war, stand das Theater am Rande des wirtschaftlichen Zusammenbruchs. Zwei Monate später verließ der hochverschuldete Wagner Königsberg fluchtartig.

Rückblickend schrieb er selbst 1842 in seiner Autobiographischen Skizze knapp:

In der schlimmsten Lage verließ ich Berlin, um mich in Königsberg in Preußen um die Musikdirektorstelle am dortigen Theater zu bewerben, die ich späterhin auch erhielt. Dort heirathete ich noch im Herbst 1836, und zwar unter den mißlichsten äußeren Verhältnissen. Das Jahr, welches ich in Königsberg zubrachte, ging durch die kleinlichsten Sorgen gänzlich für meine Kunst verloren. Eine einzige Ouvertüre schrieb ich: Rule Britannia.

Unser Wissen über Wagners Beziehungen zu Königsberg geht fast ausschließlich auf ihn selbst (s. vor allem seine Autobiografie "Mein Leben") und seine unmittelbare Umgebung, daneben auf seinen ersten Biografen Carl Friedrich Glasenapp zurück. Im Kapitel „Königsberg im Leben Richard Wagners“ schildert Erwin Kroll in seiner „Musikstadt Königsberg“ Wagners Königsberger Zeit und lässt auch die Quellen erkennen (S. 140–148).

Lediglich wenige Mitteilungen sind Königsberger Ursprungs: eine örtliche Zeitungsmeldung und mehrere Beiträge Eduard Sobolewskis, der in Robert Schumanns Neuer Zeitschrift für Musik berichtete, u. a. unter dem Pseudonym J. Feski über ein Konzert unter Wagners Leitung (Auszüge bei Kroll).

In der Neuen Zeitschrift für Musik gibt es allerdings einen weiteren Hinweis auf Wagner in Königsberg. M. Hahnbüchn (pseud. für Eduard Sobolewski) schreibt im selben Bericht, in dem er über das 2. Ostpreußische Musikfest referiert, über Wagners Abgang:

Hr. Musikdirector Wagner, der an L. Schuberth's Stelle kam, hat uns auch schon verlassen; wie es hieß, Familienverhältnisse wegen. Er hielt sich hier zu kurze Zeit auf, um sein Talent mehrseitig zeigen zu können. Seine Compositionen, von denen ich eine Ouverture gehört und eine gesehen habe, zeigen von eigener Productionsgabe. Manche Menschen sind gleich klar in ihrem Charakter und in ihren Werken, andere müssen sich erst durch ein Chaos von Leidenschaften durcharbeiten. Freilich gelangen die Letzteren aus zu einem höheren Resultate. [NZfM 7.1837.67].

Hier dürfte eine weitere Publikation von Interesse sein, die zwar nicht in Königsberg sondern in Berlin erschienen ist, aber ausschließlich Fakten wiedergibt, die auf die Königsberger Theaterverwaltung, vermutlich auf Direktor Hübsch selbst, zurückgehen.

Diese – leicht gekürzten – Angaben zur Spielzeit 1836/37 des Königsberger Stadttheaters findet man im Almanach für Freunde der Schauspielkunst auf das Jahr 1836 (S. 225–227), der unter dem Stichtag 1. Januar 1837 erschien (s. Abbildung der Titelseite). Redaktionsschluss dürfte im Dezember 1836 gewesen sein. Unter dem Personal werden auch Richard Wag(e)ner und Minna Planer aufgeführt, diese allerdings schon unter ihrem neuen Namen als Mad. Wagner geb. Planer.

Die Angabe „Musikdirektoren, die Herren: Schubert und Wagener“ bestätigt den Grund allen Übels: Hübsch hatte den Kontrakt mit Wagner abgeschlossen, nachdem Louis Schuberth nach Riga verpflichtet worden war. Dort sollte er Musikdirektor am neu erbauten Theater werden. Dessen Eröffnung verzögerte sich allerdings bis zum Frühjahr 1837, und so hatte Königsberg zwei Musikdirektoren, deren älterer seinen Posten weiter voll ausfüllte. Immerhin wurde Wagner schon als Musikdirektor geführt. Demnach kann nicht die Rede davon sein, dass ihm diese Position "in Aussicht" gestellt war. Wie Wagner eingesetzt oder alimentiert wurde, steht allerdings auf einem anderen Blatt; Kroll schreibt zutreffend, dass er sich "mit den Arbeiten eines Hilfskapellmeisters begnügen" musste.

Unter den Damen des künstlerischen Personals ist nach dem Brauch der Zeit unter Angabe des Rollenfachs auch Mad. Wagner geb. Planer, erste tragische und muntere Liebhaberinnen zu finden.

Schließlich stehen in der Liste des neu engagierten Personals u. a. Musikdirektor Wagner und Mad. Wagner geb. Planer, wie damals überwiegend üblich, ohne Angabe ihrer Vornamen.