In der Neurossgärter Passage, also im Winkel zwischen Königstraße und Vorder-Rossgarten, eröffnete Paul Kuhn am Pfingstsonntag 1894 das Passage-Theater, das sich eng eingeklemmt neben der anliegenden Bebauung behaupten musste und äußerlich keinen Blickfang bot.
Über die ersten drei Jahre liegen weitere Nachrichten zur Zeit nicht vor; 1895 scheint es gar keine Aufführungen gegeben zu haben, da Moser angibt, in Königsberg habe in diesem Jahr überhaupt keine Sommerbühne gespielt [Moser 185].
Über die Spielzeit 1897 schreibt Moser:
Der Sommer bot an Theatern nur die Tivoli-Bühne mit Operetten, Possen und dem Sensationsschauspiel "Trilby" und das Passage-Theater unter der Direktion Paul Kuhn die Schauspiele "Im Forsthause" und "Halali" von Richard Skowronnek, "Zwei Wappen", Lustspiel, und Ähnliches [Moser 188].
Bis 1902 ist dann die Tätigkeit des Theaters einigermaßen dokumentiert. Das Theater bot Tragödien, Schauspiele, Lustspiele, Possen und Operetten, aber auch Kuriositäten, so 1899 den "Affendarsteller Mr. Johnson" als Gast.
In der Spielzeit 1899 war der spätere Intendant des Neuen Schauspielhauses (1915–1919) Leopold Jessner unter den Darstellern, nachdem er bereits ein Jahr zuvor dem Ensemble des Apollo-Theaters angehört hatte.
Neuer Theater-Almanach 1900, S. 412 (Spielzeit 1899)
Der Spielplan wird in der folgenden Darstellung unvollständig angegeben; nähere Angaben fehlen:
- 1897: Im Forsthause; Halali; Zwei Wappen; Schuldig
- 1898: Kleine Lord
- 1899: Auf nach Kiautschaou; Madame Dreyfus
- 1900: ?
- 1901: Tante Cohn; Die Löwenbraut
- 1902: ?
Zur Entwicklung des Personals:
- 1897: Ens 6/9
- 1898: Ens 13/13, Orch 14; Ch 4/6
- 1899: Ens 12/14; Orch 14; Ch 5/8
- 1900: Ens 13/10; Orch 14; Ch 4/4
- 1901: Ens 10/9; Orch 14; Ch 4/4
- 1902: Ens 12/8; Orch 12; Ch 6/6
In den nächsten Jahren ist das Schicksal des Theaters nicht ganz klar; es wurde aber irgendwie weiter gespielt. Mit dem Theater ging es jedoch bergab. Als 1909 ein Arbeitsausschuss zur Gründung eines Sprechtheaters tätig wurde und nach geeigneten Räumlichkeiten suchte, stieß man auch auf die Rossgärter Passage, zögerte aber, weil die Räumlichkeiten "erblich belastet" schienen. "Dort hauste nämlich seit Jahren im ersten Stock ein nicht gerade vornehmes Variete mit anschließendem Nachtbetrieb im Keller. Man fürchtete bei einer noch so sauberen Umgestaltung nicht mit Unrecht die Rache des Genius loci" (Ludwig Goldstein in seiner Festschrift 1927 zum Umzug des Neuen Schauspielhauses, S. 10 – s. Auswahlbibliografie). Schließlich fand das Neue Schauspielhaus hier nach einem größeren Umbau doch für 1910 bis 1927 sein erstes Domizil.